Nach zwei Jahren Corona-Zwangspause ging es am 10. und 11. September wieder gemeinsam in eine Schulungsveranstaltung, die kleinen Schnellseglern die Wonnen des Fahrtensegelns vermitteln soll. Eine Maßnahme, die nicht zuletzt die Bindung von Jugend und Großverein stärken soll und Feuer weiter gibt, statt Asche zu bewahren. Durchaus legitim, hier ein Lehnwort aus dem Handel mit "advanced chemistry" zu verwenden - es geht um das Anfixen.

Obwohl es am Samstag sehr flau auf der Warnow war und auch die Prognose des Rest-Wochenendes eher Windmangel enthielt, wurde entschieden, gen Norden zu fahren und Gedser einen Besuch abzustatten. Hier spielte in erster Linie die Idee des Auslaufs eine Rolle; im Gegensatz zu Kühlungsborn ist in Skandinavien das Einfallen größerer Horden nicht so negativ besetzt.

Nach Norden

Nach dem Verteilen der Kinder auf  die Boote und dem Verproviantieren mit Getränken und Obst (Fruchtgroßhandel Mros), ging es knatternd Richtung Warnemünde; immerhin herrschte Sonnenschein.

Gleichzeitig wurde Jörg verabschiedet. Seine Aufgabe sollte es sein, Grillgut in nicht handelsüblichen Mengen zu erwerben und selbiges (nebst Gasgrill und Zeugs) mit einem Transporter des "Bootsservice Schuberth" nach Gedser zu bringen. Auf einer Fähre.

Teilnehmende Boote

  • Karma (First 36.7)
  • Sente (X-34)
  • Kattaja (X-99)
  • Abraxas (First 31.7)
  • Tante Emma (Dehler 31)
  • Blue Belle (Vision 32)
  • Kalkei (Vierteltonner "Hiddensee")
  • Blue Bird (Vierteltonner "Hiddensee")
  • F.O.X. (X-102)
  • Hornfisch (Dehler 30 OD)
Außenborder (alt) schlägt Innenborder (sehr alt): Das "Kalkei" zieht vorbei. 
Vom nächsten Boot überholt: "Abraxas"
Welche Demütigung: Vom Schleppverband "Sente" und "Kattaja" überholt.

Nach dem Passieren der Warnemünder Molenköpfe wurde klar, daß der muntere Schiffsverband sich einer Gegend mit hoher Luftfeuchtigkeit näherte, die Sicht wurde zunehmend schlechter.

Romantisch, aber in Sachen Sichtbeeinträchtigung erst der Anfang. Foto: Jan Giese

Durchaus tricky, haben wir doch mit dem Verkehrstrennungsgebiet in der Kadettrinne ein respektabel befahrenes Stück Ostsee.

Mit Decke gehts. Gute Laune trotz Kondensat. Foto: Jan Giese

So lernten die Kinder wichtige Dinge: Wer nicht genau auf den Kompass schaut, fährt ohne Sichtmarke Kringel und wer nicht gut Ausguck hält, wird unter Umständen von jemandem überfahren, der so groß ist, daß er das nicht mal merkt.
Außerdem interessant - das Konzept des Schallsignals: "Ich bin hier irgendwo, aber Du weißt nicht, wo. Und Du weißt auch nicht, in welche Richtung ich fahre!"

Als Wind aufkam, konnten endlich die Segel gesetzt werden, zudem lichtete sich der Nebel zusehends.

Traditionelles Leben unter Deck: Glücksspiel und Getränke.

Wir wurden von einem Carrier ziemlich knapp passiert und konnten die Besatzung der "Tante Emma" bei ihrer Nahtoderfahrung beobachten, als sich kurz vor deren Bug eine Fähre der "Stena Line" materialisierte.

Mit 10 bis 12 Knoten Wind und einem Schrick in den Schoten wurden die letzten Meilen abgespult, nach der stundenlangen Knatterei ein versöhnliches Ende des Segeltages.

Finish First: Eine Französin pickt der anderen ein Auge aus. Foto: Jan Giese

Im Norden angekommen

Nach dem Anlegen gegen 15:20 Uhr hieß es für die Schiffsführer „Erst mal ein Bier und dann gleich noch eins!“. Zu groß war die Erschöpfung nach einem derart anstrengenden Tag auf See.
Jörg, der die Überfahrt mit der Fähre ohne Beanstandungen durch Zoll und Immigration absolvierte, gesellte sich dazu.
Man traf sich zwanglos auf den Booten oder nahm den Steg in Beschlag.
Die Kinder angelten, fuhren merkwürdige Rollbretter oder dehnten die Muskulatur auf dem Spielplatz neben der „Bådelaug Gedser“.
Außerdem wurde mindestens ein SUP aufgepustet und an etlichen Booten wurden die Badeleitern ausgeklappt. Henning - der Schiffsführer der "Blue Belle" - der bekanntlich einer Liebschaft von Seehund und Robbe entstammt, durchmaß schnaufend und prustend das Hafenbecken. Mit 16 bis 17 Grad ist das Wasser allerdings definitiv zu kalt, um mehr als das Paddelrad der Logge zu reinigen.

Einige schliefen sich aus.
Nachricht an Runze: Super durchgehalten, Junge! Das wird im Laufe der Zeit besser…

Danach musste unter Deck „Klar Schiff“ gemacht werden, zumindest bei uns hatte der Befall mit fünf Kindern und deren reichhaltigem Bekleidungsrepertoire den Salon in eine mexikanische Würfelbude verwandelt.
Gegen 17.00 Uhr begann Christian zu scharren und stachelte Unbeteiligte an, sich der Anordnung von Tischen und Bänken sowie der exakten Ausrichtung des Gasgrills zu widmen. Dann packten wir Jörgs "Mitbringsel" aus, die eine amtliche Schneise in den betroffenen Großmarkt gezogen haben mussten.

Es folgte das, was durchaus der Bezeichnung "Leistungs-Grillen" gerecht wird: Christian "The machine" schnitt auf, würzte(!) und belegte den Grill in einer Geschwindigkeit, die ihn auf Fotos nur verwischt darstellte! Zudem hatte die Praxishilfe Schwierigkeiten, das Grillgut schnell genug zu wenden.
Klafterweise wurden so Maiskolben, Kartoffeln, Würstchen und deren Eltern, Grillkäse, Durchwachsenes sowie Filet gegart oder übervulkanisiert und hernach den hungrigen Horden kredenzt.

An dieser Stelle muß das Verhalten des Sportfreundes Thamm kurz erwähnt werden. Selbiger schob sich - UNTER UMGEHUNG DER ANSTEHSCHLANGE - unauffällig von der Seite an den Grillgut-Wender und gab wiederholt ein "Fertiges Fleisch?" von sich.

Schlangenumgehung von Clemens Thamm. Nicht im Bild wg. zu kurzer Belichtungszeit: Christian Schönrock. Foto: Robert Kewitz

Essen, trinken, essen, trinken, essen, trinken, erzählen. Wieder Essen. Nicht verschlucken...

Schiffsführer bei der Arbeit. Foto: Tim Schimanski.

Zurück nach Süden

Der Abend wurde lang und nachdem das Jungvolk in Altersgruppen zum Schlafen auf die Boote verschickt wurde, gelang es nur äußerst disziplinierten Schiffsführern den nächsten Morgen ohne Hangover zu beginnen.
Zur Not half ein Bad im 15 Grad kalten Wasser - bekanntlich die Zutat #1 für ein Zaubermittel, deren Teile zwei, drei und vier bekanntlich aus Ibuprofen, Kaffee und der dänischen Heringsspezialität Karrysild bestehen. Heringsallergiker weichen auf Makrel Guf aus - bekanntlich einer der beliebtesten Ausbildungen für eine Makrele dänischer Bauart. Dankenswerterweise hatte die Schiffsführerin des "Kalkei" von allen Spezialitäten reichlich aus dem Dagli'Brugsen mitgebracht. Es folgte ein ausgiebiges Frühstück.

Nordwind ermöglichte nach dem Ablegen und Raustüdeln durch die Betonnung das zeitige Setzen des Ballonsegels und so ging es mit 5 bis 6 Knoten Richtung Süden, wobei gern und oft gehalst werden konnte.

"Karma" peilt die Lage.

"Kattaja", pfeilschnell unter Spi.

Spätestens in der stark befahrenen Kadettrinne war dann aber Schluß mit lustig - zu sehr hatte der Wind inzwischen abgenommen. Es folgte ein weiteres Geknatter, das  zumindest bei uns an Bord noch mal zu einem Bad genutzt wurde. Die Kinder liessen sich ca. 8 Meilen vor Warnemünde an der Spi-Schot durchs Wasser ziehen.

Gottseidank frischte der Wind kurz vor den Molenköpfen wieder auf und fix waren die Segel wieder gesetzt und das typische Heruntersegeln der Warnow mit Abdeckungen, Privat-Bö und Drehern begann.

Aus unerfindlichen Gründen wurden die Kinder kurz vor Erreichen des Hafens noch mal vom Ehrgeiz gepackt und das Ballonsegel fand erneute Verwendung. Sogar mit Halse, bei der die Blase sehen bleibt. :-)

Das war schön.