2022 konnten wir endlich wieder an den Start. Für alle Crewmitglieder war es das erste Mal. Zwar war viel Erfahrung an Bord, die Crew hat sich schon den deutschen Meistertitel im Seesegeln geholt und die Langstrecken-Regatta „Rund Fehmarn“ (80nm) gewonnen, aber nun hieß es: "Wir fahren um die Insel rum." Was können wir besser als die anderen, schnelleren Schiffe machen? Wie entwickelt sich Wind und Strom? Wie können wir unsere Kräfte einteilen?

Wir haben uns für ein 2h-Schichtsystem entschieden. Das heißt 2h steuern, 2h Bereitschaft im Cockpit, 2h in der Luvkoje im Leesegel schlafen und dann ging es auch schon wieder von vorne los.
Bis zum Dornbusch hatte sich das Feld kaum auseinandergezogen. Die paar Spisegler sind platt vor Laken bis zum Dornbusch mit 5 kn geschippert, die Gennakersegler sind auf die Ostsee rausgekreuzt und kamen irgendwann auch wieder zurück.
Dann kam die erste Nacht. Der Wind frischte auf, die Wellen wurden höher, das Schiff immer schneller, die riesigen Windparks auf der deutsch-dänischen Grenze kamen immer dichter. Es war schwer, die Schichten einzuhalten. Wer will schon bei 13 kn Gleitfahrt gerne das Ruder abgeben?!

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Halluzinierend dank Hafermilch und Schlafentzug?

Auf Höhe des Windparks „Wikinger“ entschieden wir uns für die Rundung im Uhrzeigersinn. Wir dachten, längere Spifahrten und ein Rechtsdreher 15h später führen uns nach vorn. Gesagt, getan, aber irgendwie haben wir gar keine Schiffe mehr gesehen. An der Nordspitze kamen uns schon die ersten Rennyachten entgegen. Die ersten Zweifel kamen. Anscheinend sind fast alle außer uns links herum gefahren. Aber der lange Spischenkel wird schon für uns sprechen. Erst als wir 6 h später an der Südspitze waren, haben wir verstanden warum linksherum auch Vorteile hatte. Wir mussten nun 30 nm auf der Sturmseite der Insel gegen die Wellen aufkreuzen.

Zum Glück war gutes Wetter. Bei 6-7 Windstärken haben wir sukzessiv unsere Segel verkleinert. Erst ein Reff, dann zwei, dann Genua runter und Fock hoch.

Wir wussten gar nicht wo wir stehen, eine 40ft-Charteryacht kam von hinten und kreuzte ganz entspannt einfach an uns vorbei. Unser AIS ist kurz nach dem Start inkl. UKW ausgestiegen und VesselFinder war nicht ganz so aktuell. Also sind wir wieder oldschool gesegelt. Nach endlosen Stunden gegen die Wellen stampfend, unerfüllten Erwartungen an Winddreher und Vernachlässigung des Schichtsystems waren wir endlich am Kap Arkona, dem Kap Horn der Ostsee.

Nach mehreren Tagen starken Westwinds entsteht dort eine Strömung die mit kleinen Schiffen kaum zu bewältigen ist. Da hilft nur die Stromkarte vom BSH und flache Gebiete. So haben wir uns zwischen 4:00 und 7:00 morgens an der Ecke vorbeigemogelt.

Nur noch ein Anlieger bis Darßer Ort und dann entspannt mit einem Schrick in den Schoten nach Hause. Aber der Wettergott hatte anderes für uns geplant. Der Linksdreher kam früher als gedacht und die Strömung war stärker als erwartet. Wie waren nach Kap Arkona in genau solchen Dingen geschult. Also wieder schön dicht unter Land und nicht bei den Bräuten am Strand versacken. Nach einem stundenlangen Kampf und sechs Wenden gegen den Darß waren wir endlich rum.

Nur noch 30 nm bis nach Hause. Keiner wollte mehr schlafen, der Kühlturm war schon in Sicht. Nur noch die Nachricht an die Wettfahrtleitung und dann der Zieleinlauf. Freudig mit der wehenden Hiddenseeflagge am Achterstag hat uns das „Kalkei“ in Empfang genommen und uns Halbbenommene mit ein paar Schlucken Sherry und Bier in den Hafen geleitet. Dann hieß es erst einmal ab in die Dusche und ein paar Stunden Schlaf nachholen.

Bis dahin wussten wir immer noch nicht, wo wir stehen. Wir wussten nur, dass drei Schiffe gesegelt hinter uns ins Ziel gekommen waren. Aber reicht es für einen Platz auf dem Podium?

Den Rest kennt ihr wahrscheinlich schon. 😊

Vielen Dank an alle unsere Unterstützer!
Liebe Grüße,
Eure Bluebird – Crew

RSC 92 Jugend
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Verwendungszweck: Bluebird